Der Ironman im Boden – haben Sie den auch?

Humus

Manchmal kommt mir der Selbstversorgergarten vor, als wäre ich gegen den Beikraut – Ironman angetreten. Hier zu gewinnen ist schwer.

Wenn man überhaupt von Gewinnen sprechen kann.

Im Garten und auf dem Acker ist jedoch die Veränderung der Sieg.

Fangen wir mal beim Start an.

Im Dezember 2015 haben wir begonnen, aus einem Acker, der ca. 80 Jahre konventionell bewirtschaftet wurde, eine Agroforst – Permakultur zu machen.

Zuerst haben wir die Bäume und Sträucher gepflanzt. Nach der Aufteilung in einen Wiesenstreifen und verschiedene Ackerparzellen habe ich damit begonnen, Weizen, Roggen und Kartoffel anzubauen.

Auf einer der Parzellen steht immer eine Milpa (Mischkultur aus Mais, Bohnen, Sonnenblumen, Buchweizen, Hafer und Roggen)

Es erfolgte nur eine sehr oberflächliche  Bodenbearbeitung zur Vorbereitung der Aussaat.

Leider war die Arbeit nicht von wirklichem Erfolg gekrönt!

Nur stellenweise gab es echten Ertrag.

Es zeigte sich sehr schnell, mit welchen Problemen die Kulturpflanzen zu kämpfen haben.

Bodenverdichtung, Humusarmut, fehlende Krümelstruktur und eine deutliche Pflugsohle, und das Ganze bei schwerem Lehmboden – wie soll da eine anspruchsvolle Kulturpflanze mit den Ansprüchen eines hochgezüchteten Rennpferdes wachsen können?

Manchmal schickt die Natur einfach mal ein „Demutswerkzeug“, um uns so lange mit Nachdenken zu traktieren, bis wir es erkennen, dass die Natur die Geschicke lenkt und nicht der Mensch selbst.

Die Kräfte der Harmonie und des Gleichgewichts wollen fruchtbaren Boden erschaffen. Dazu ist dem Einfallsreichtum der Natur  jedes Mittel recht.

Sie wird alle Reparaturwerkzeuge, die ihr zur Verfügung stehen, in Gang setzen.

So eine Reparaturpflanze kann sich zum Ironman im Boden auswachsen! Durchkommen, mit schier unendlicher Ausdauer, sind, wie beim Ironman, ihre wichtigsten Charaktereigenschaften.

Die Natur hat mit ihr ein extrem zähes, hartnäckiges Werkzeug zur Bodenreparatur auf Lager.

Es kann verdichteten, schweren Boden aufbrechen.

Es hält und verbindet den Boden so fest wie das Baustahlgewebe den Beton.

Es muss härtesten Boden durchdringen.

Es greift überschüssige Nährstoffe, vor allem Stickstoff (N) ab.

Die Quecke ist damit  perfekt auf das vorliegende Problem abgestimmt.

Sehen Sie sich mal diese Wurzel an!

Das ist perfekt konstruiertes Werkzeug. Das kann nur die Natur mit ihrer unendlichen Ausdauer schaffen.

Dorn, Meißel und Dübel in einer Pflanzenwurzel vereint, das ist schon toll ausgeklügelt. 

Mit ihren spitzen, meißelförmigen Wurzelenden bahnt sich die Quecke ihren Weg durch den verdichteten Boden.

Mit den Widerhaken hält sie sich fest, hält den Boden zusammen.

Die Quecke macht ihre Arbeit, ob Sie wollen oder nicht. Erst wenn die Ursache verschwunden ist, verschwindet auch die Quecke.

Ist die Quecke nun das Problem oder nur der erste sichtbare Teil der Lösung? Für mich ist die Frage klar beantwortet. Für Sie auch?

Auf jeden Fall ist sie sehr hartnäckig und absolut konkurrenzstark!

Da ist nicht viel mit Gemüseanbau. Die Wurzeln der Quecke haben selbst meine Kartoffeln im Boden einfach durchbohrt.

Mit dieser Pflanze im Boden ist ein Ertrag nur sehr bedingt möglich. Kartoffeln in diesem kompakten Boden zu ernten ist eine Aufgabe für Herkules und vielleicht noch ein Trainingslager für den Ironman, aber nicht für mich.

Haben Sie dieses Problem auch,  oder „nur“ verdichteten Boden ohne Quecke? Egal wie, das Problem des Bodens muss so gelöst werden, dass trotz der Schwierigkeiten ein Ertrag zu erwirtschaften ist.

Dazu gibt es leider nicht das „eine Mittel“.

Nur eine Strategie, die die Quecke im Boden überflüssig macht, ist zielführend.

Nein, die Lösung finden Sie weder in der Agrochemie noch in modernster Bodenbearbeitungstechnik. Nur pflanzen-bauliche Maßnahmen können auf Dauer Abhilfe schaffen.

Um Gemüse auf den queckendurchsetzten Parzellen der Agroforstkultur kultivieren zu können und gleichzeitig den Boden zu reparieren, habe ich folgenden Lösungsansatz gewählt:

Zuerst habe ich ca. 50cm breite Streifen für das Gemüse und die Milpa markiert. Der Raum zwischen den Reihen wird als  Mulcherntefläche genutzt..

Dabei gehe ich so vor: Zuerst wird das Gras(Quecke) bei einer Wuchshöhe von ca. 25cm so tief wie möglich mit dem Rasenmäher oder Mulcher gemäht. Dadurch muss die Pflanze viel Energie in die Neubildung der oberirdischen Teile investieren.

Diese Energie kommt aus der Wurzel, die damit schwächer wird. Das Mähgut bleibt liegen und reduziert so den Lichteinfall. Mit der aufliegenden, organischen Masse bekommt gleichzeitig das Bodenleben neue Nahrung. Die erste Verbesserung tritt ein.

Nach ca. 10 Tagen fräse ich einmalig die Fläche ca. 1 cm tief. So wird der neue Austrieb extrem geschwächt und muss nun erst einmal auf die Reserven, die in der Wurzel eingelagert sind, zurückgreifen. Durch die geringe Bearbeitungstiefe wird die Bodenschichtung nicht wirklich gestört und nur wenige Wurzeln der Quecke werden zerteilt. Jedes abgetrennte Wurzelstück der Quecke wird versuchen eine neue Pflanze zu bilden.

Um das zu verhindern, habe ich sofort eine Saatgutmischung eingesät, die in starker Konkurrenz zur  Quecke stehen.  Die Pflanzen müssen sehr schnell auflaufen (Buchweizen) und gleichzeitig einige Bodenreparaturaufgaben der Quecke übernehmen können.

So geht die Parzelle 2020 nach der Kartoffelernte durch den Winter.

Im Saatgut sind Pflanzen enthalten, die tief wurzeln, den Boden  auflockern und Nährstoffe abgreifen können (Sonnenblume).

Durch allopathische Wirkmechanismen (Wechselwirkung einer Pflanze auf eine Nachbarspflanze) kann z.B. Hafer durch seine Wurzelausscheidungen die Quecke ärgern.

Die Saatgutmischung, die zwischen den Gemüsereihen eingesät wird, besteht aus Hafer, Roggen, Buchweizen, Wicke, Tagetes, Ringelblumen, Malve und Sonnenblumen. Die Aussaat erfolgt zwischen und auch in den Reihen der Streifenkultur.

Boden lockernd und  Nährstoff aufgreifend durchwurzelt die Pflanzenmischung den Boden bis in immer tiefere Schichten.

Die Arbeit der Pflanzenwurzeln können Sie in Ihrem Garten mit der Anwendung unseres Spezialwerkzeuges, der Grelinette „Ladylike“  zur Bodenlockerung bestens unterstützen.

Diese Maßnahmen führen zu einem Boden, in dem sich die Quecke nicht mehr besonders wohl fühlt, bzw. die mit der Quecke konkurrierenden Pflanzen stärker werden. Mittels wiederkehrender Nachsaat nach dem Mähen in den Zwischenreihen verändert sich der Bewuchs zusehends.

Immer, wenn das Grüngut in den Zwischenreihen eine Konkurrenz zur Hauptkultur darstellt,  wird gemäht.

Das Mähgut wird in einem Arbeitsgang auf den Gemüsereihen abgelegt. Soll das Grünmaterial langsam verrotten, wird mit dem Messerbalken gemäht (langes Schnittgut). Möchte man eine schnelle Zersetzung (schnelle Nährstofffreisetzung) erreichen, wird mit dem Rasenmäher gemäht (kurzes Schnittgut).

Die Mulchschicht verhindert zunehmend das Auflaufen der Beikräuter.

Zur Unterstützung des Humusaufbaus und der Nährstoffspeicherung mische ich noch  etwa 1 Liter/Laufmeter  Pflanzenkohle zum Mulchmaterial hinzu.

Die Ernteflächen für das Mulchmaterial sind damit zwischen den Nutzstreifen angelegt. Es entsteht auf kleinstem Raum ein System aus Geber- Nehmerflächen.

Dieser Nährstofftransfer versorgt die Kulturpflanzen mit ausreichend Nährstoffen und trägt zum Humusaufbau bei.

Das Tolle ist, dieses System funktioniert, ohne den Humus in den Zwischenreihen abzubauen  (Quelle: Kurt Kretschmann und Rudolf Behm – „Mulch total“).

Das Zusammenspiel des Nährstofftransfers mittels Geber- und Nehmerfläche unter Einfluss der Holzkohle ist die Grundlage der  Entstehung der von den Menschen gemachten schwarzen Erde, der Terra Preta.

Die Spannung auf die kommende Anbausaison steigt!

Jetzt am Ende des Jahres, kurz vor Weihnachten, ist eine schöne Gartenzeit. Die Schnecken sich weit weg, Kohlweißlinge haben wir vergessen und die neuen Ideen für das kommende Gartenjahr nehmen Formen an.

Beste Grüße und bleiben Sie gesund,

wünscht Ihnen

Ihr Hans Söhl

PS: Vielleicht fühlt sich ein Triathlet so, wenn das Ziel in Sichtweite kommt, so wie ich heute, wenn ich den Boden aufgrabe und den Beginn der Veränderung erkennen kann.

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